Fischereigenossenschaft Schwäbische Donau
Körperschaft des öffentlichen Rechts

Auch für Fische ist Hochwasser eine Katastrophe


Starke Hochwasserereignisse gab es schon immer und werden auch in Zukunft immer wieder auftreten. Aufgrund der Klimaänderungen vermutlich immer häufiger.

Junihochwasser 2024

In der Betrachtungsweise des einzelnen Fisches stellt jedes Hochwasser ein lebensbedrohendes Ereignis dar. Dabei nehmen wir meist nur das Schicksal einiger größerer Fische wahr, die aus ihrem Lebensraum gespült und bei ablaufendem Hochwasser im Wald und auf den Feldern qualvoll ersticken, wenn sie nicht im Rahmen der Fischnacheile durch die Fischereiberechtigten rechtzeitig gefangen und wieder in ein Gewässer zurückgebracht werden. Die weitaus überwiegende Masse zurückgebliebener Kleinfischarten, Jungfische oder Fischbrut verendet unbemerkt im dichten Bodenbewuchs des Umlandes. Auch in den Fließgewässern ist während des Hochwassers die Situation hoch dramatisch. Fische die nicht rechtzeitig oder keinen strömungsgeschützten Hochwassereinstand gefunden haben, kämpfen bis zur endgültigen Erschöpfung gegen die zunehmende Strömung, werden von den Fluten mitgerissen, gegen Steine, Brückenpfeiler und Treibgut geschleudert oder gegen die Rechenanlagen der Kraftwerke gedrückt. Unzählige Fische aller Alters- und Größenklassen kommen dabei zu Tode oder erleiden schwerste Verletzungen die sie in der Folge anfällig für Infektionen und Krankheiten machen. Dieses Schicksal erleiden auch sämtliche anderen Flussbewohner wie Muscheln, Krebse, Neunaugen, Frösche, Wasserinsekten etc.. Für jedes Einzelindividuum ist Hochwasser ein Kampf um Überleben oder Tod.

Wie wirkt sich Hochwasser generell auf die Fischfauna aus?

Fischbergung

Grundsätzlich haben sich Fische im Laufe der Evolution gut an Hochwasserereignisse angepasst. Wie stark Fischbestände im Einzelnen betroffen sind, ob sie sich nach einem Hochwasser erholen und wie lange dies dauert, hängt vor allem von der ökologischen Güte des Fließgewässers ab. In natürlichen oder sehr naturnahen Fließgewässer mit viel Strukturvielfalt, abwechselnder Linienführung und breiter Vernetzung mit den Seitengewässern der Aue richten selbst starke Hochwasserereignisse keine einschneidenden Verluste an der Fischfauna an. Man spricht hier von guter Hochwasserresilienz. In funktionierenden Ökosystemen tragen Hochwässer sogar zur Artenvielfalt bei, da wichtige Pionierlebensräume wie lockere Kiesbänke nur durch die Gewässerdynamik bei hohen Abflüssen gebildet und umgeschichtet werden. Auch der genetische Austausch von örtlichen Populationen wird durch Verdriftung und Kompensationswanderungen gefördert. Durch die hohe Vermehrungsrate der Fische werden Bestandslücken in den darauffolgenden Jahren zügig aufgefüllt.
Nicht so gut ist die Situation hingegen in Flüssen, die der Mensch verändert hat. In Deutschland betrifft das fast 90 Prozent der Fließgewässer. In begradigten Flüssen -wie der Donau- ist die Strömung bei Hochwasser stärker, es fehlen Strukturen die als Hochwassereinstand dienen und die natürliche Wiederbesiedlung wird durch die Abtrennung der Auengewässer und die noch vielerorts fehlende Durchgängigkeit gestört. Bei einem starken Hochwasser brechen hier die Fischbestände teilweise dramatisch ein. Da es an ausgebauten Flüssen zudem an Laich und Jungfischhabitaten mangelt, dauert es viel länger, bis sich Fischbestände erholen. Bei einigen Arten können die Fischereiberechtigten durch Besatzmaßnahmen nachhelfen. Für manche Arten gibt es aber keine Besatzfische. Dies trifft insbesondere auf solche Fische zu, die aufgrund der veränderten Lebensräume und den Folgen des Klimawandels ohnehin schon in ihrem Bestand gefährdet sind. Von den ca. 72 heimischen Donaufischarten sind aktuell fast die Hälfte auf der Roten Liste als vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet geführt. Von einigen Arten, die es weltweit nur in der Donau gibt, kennen wir teilweise nur noch kleine örtliche Reliktvorkommen. Hier können Hochwässer wie dieses gar zum Erlöschen der Population führen.

Erholen sich die Fischbestände wieder?

Sandbank nach Junihochwasser 2024

Nach dem Pfingsthochwasser 1999 hat es sehr lange gedauert, bis sich alle Fischarten wieder erholt haben. Die Fischereigenossenschaft Schwäbische Donau und die darin organisierten Fischereiberechtigten haben im Nachgang des Pfingsthochwassers 1999 mehr als 2,7 Mio. Euro für den Aufbau der Fischpopulationen im Genossenschaftsgebiet ausgegeben. Mehr als die Hälfte davon für den Erhalt gefährdeter Arten wie z.B. Huchen, Nase, Aalrutte, Nerfling, Karausche und Barbe. Anhand der Messreihe zur Bewertung der Fischfauna im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie kann für die Schwäbische Donau recht gut nachvollzogen werden, wie lange Hochwasserereignisse bei den Fischbeständen nachwirken können. Vor dem Pfingsthochwasser 1999 stuften die Fischereiberechtigten und Fachbehörden die Fischfauna als gerade noch gut ein. Nach dem Pfingsthochwasser bis über die WRRL-Bestandsaufnahme 2015 hinaus wurde der ökologische Zustand der Fischfauna dann nur noch als mäßig eingestuft. Erst 2021 erreichte die Fischfauna wieder den guten Zustand. Da an der schwäbischen Donau in dieser Zeit keine signifikanten morphologischen Verbesserungen umgesetzt wurden und bis auf die Augusthochwässer 2002 und 2005 keine weiteren Hochwasserereignisse stattfanden, kann diese Entwicklung als aktueller Richtwert für die natürliche bzw. fischereilich gestützte Regenerationszeit herangezogen werden. Gegenüber natürlichen Gewässern kann die Hochwasserresilienz der Fische im Bereich der Schwäbischen Donau daher als unbefriedigend bis schlecht eingestuft werden.

Kann man den Fischen helfen?

auch Fischnährtiere kommen um

Beim Wiederaufbau der Fischfauna sind die Fischereiberechtigten auf sich alleine gestellt. Da der Aufbau und Erhalt eines artenreichen, dem Gewässer angepassten Fischbestandes als gesetzliche Hegepflicht den Fischereiberechtigten obliegt, interessiert dies den Staat, die Wasserwirtschaftsämter oder Umweltschutzorganisationen bislang kaum. Auch eine Unterstützung im Rahmen von Hochwasserhilfen scheidet für die betroffenen Fischereivereine und Fischereirechtsinhaber aus.
Zur Stärkung der Fischfauna gegenüber Hochwasser, Niedrigwasser, Klimawandel, zunehmendem Prädationsdruck und anderen Störereignissen müsste nach unserer Erfahrung der gesamte Flussraum morphologisch mehr aufgewertet und die natürliche Regenerationsfähigkeit durch Erhalt der Seiten- und Auengewässer und deren Vernetzung mit der Donau schnellstmöglich gestärkt werden. Sämtliche Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen, sehen das genauso. Das Bayerische Umweltministerium hat dies im Auenprogramm Bayern (2001), Hochwasser Aktionsprogramm 2020plus (2014), Masterplan zur Entwicklung und Auswahl von Projekten zur Umsetzung der Europäischen Donauraumstrategie in Bayern (2017) und Bayerische Gewässer-Aktionsprogramm 2030 (2022) ebenfalls mehrfach präferiert, jedoch niemals an der schwäbischen Donau umgesetzt. Die Donau ist ein staatliches Gewässer an dem diverse Interessen -u.a. des Wasserwirtschaftsamtes, Umweltschutz und Wasserkraftbetreiber- aufeinandertreffen. Hier gilt es gemeinsame Lösungen zu finden. Langfristig sollte über die ökologische Flussraumsanierung die Bestandsstützung durch Fischbesatz auf wenige Ausnahmen reduziert und die natürliche Regenerationsfähigkeit und Resilienz der heimischen Fischarten gefördert werden. Die Fischereigenossenschaft und seine Mitglieder wollen genau in diesem Bereich mehr selber tun und hoffen dabei auf breite Unterstützung und möglichst geringe rechtliche Hürden.

Helfen die neuen Fischtreppen bei der Wiederbesiedlung?

Gerade nach dem Abklingen von Frühjahrshochwasser kann bei den Fischen eine starke Wanderaktivität festgestellt werden. Verdriftete Fische suchen ein neues Zuhause, andere kehren aus ihren Hochwassereinständen zurück und andere nutzen die Gelegenheit, neue Lebensräume zu erschließen. Dabei werden von einigen Arten gewiss auch die Fischaufstiegsanlagen genutzt. In welchem Maße, kann noch nicht genau beurteilt werden. Aktuell sind im Bereich der Schwäbischen Donau seit letztem Jahr erst zwei Anlagen am Stau Gundelfingen und in Donauwörth in Betrieb. Es fehlt daher noch an Erfahrungswerten. Die Fischtreppen sind hauptsächlich für die stromaufwärts gerichteten Laichzüge von Lang- und Mitteldistanzwanderfischarten konzipiert. Diese orientieren sich dabei hauptsächlich an der Strömung.
Die unmittelbaren Kompensationswanderungen nach Hochwasserereignissen sind hingegen vielschichtiger und kleinräumiger. Manche Fische tasten sich dabei überwiegend entlang der Uferlinie, andere rein bodenorientiert voran. In Fließgewässern, die gut mit Auengewässern vernetzt sind, findet die überwiegende Migration aus diesen Seitengewässern statt.  Es ist daher weniger zu erwarten, dass die Fischaufstiegsanlagen für die kurzfristige Bestandserholung eine entscheidende Rolle spielen.
Langfristig sind sie aber dennoch enorm wichtig. Denn Verdriftung ist gerade im Lebenszyklus der Wanderfischarten ein fester Faktor. Ihre Vermehrung und das Jungfischstadium findet meist im Oberlauf der Flüsse statt. Je größer sie werden, desto weiter verlagert sich ihr Lebensraum flussabwärts. Dabei wirken auch Hochwasserereignisse mit. Zur Vermehrung wandern sie dann die zurückgelegte Distanz wieder zurück und halten damit den Lebenskreislauf und die Verbreitung ihrer Art aufrecht. Hierfür und für den genetischen Austausch der Fischpopulation innerhalb des gesamten Flussgebietes spielen die Fischaufstiegsanlagen daher eine wichtige Rolle.

Mit welchen weiteren Auswirkungen des Hochwassers ist zu rechnen?

Ein weiteres bisher noch kaum abschätzbares Problem ist, dass die Wassermassen auf ihrem Weg Schadstoffe in die Flüsse und in überschwemmte Gebiete spülten. Heizöl aus überfluteten Häusern, Abfälle, ungeklärte Abwässer, Dünger und Spritzmittel aus der Landwirtschaft und vieles mehr gelangten durch die Flut ins Ökosystem. Auch wenn im Ereignisfall von der Wasserwirtschaft immer wieder die Aussage getroffen wird, dass aufgrund der starken Verdünnung mit keinen Schäden für die Umwelt zu rechnen seien, setzen sich diese Stoffe letztendlich in den Gewässersedimenten ab. Viele Stoffe bauen sich dort nicht oder nur sehr langsam ab. Gewässerunterhalt oder die Sanierung von Seitengewässern werden damit immer mehr erschwert. Bei anfallendem Baggergut sind Maßnahmen aufgrund der entstehenden Entsorgungskosten schon heute finanziell nicht mehr darstellbar. Hier hoffen wir auf eine baldige politische Lösung.
Bei den Fischereiberechtigten mehrt sich auch die Sorge, dass sich Schadstoffe innerhalb der Nahrungskette anreichern und Fische aus unseren heimischen Gewässern künftig nicht mehr bedenkenlos verwertbar sind. Die Angler wünschen sich, dass im Nachgang des Hochwassers von staatlicher Seite Untersuchungen zur Verzehrfähigkeit von Fischen durchgeführt werden und darüber zeitnah informiert wird. An einigen Gewässern und Gewässerabschnitten wird heute schon vom Verzehr von Fischen aufgrund erhöhter PFOA und PFOS-Werten abgeraten. Wenn die Fische nicht mehr verwertet werden können, muss zwangsläufig auch die Fischerei eingestellt werden. Denn ohne Verwertungsabsicht gibt es aus tierschutzrechtlicher Sicht auch keinen vernüftigen Grund mehr, Fische zu fangen. Neben dem Wertverlust der einzelnen Fischereirechte gibt es dann auch niemanden mehr, der sich aktiv um die Gewässerfauna, die Ufer und die Müllbeseitigung an Gewässern kümmert.
Was die Schadstoffe, die das aktuelle Hochwasser in den Gewässern und Überschwemmungsgebieten hinterlassen hat, also langfristig anrichten werden, weiß derzeit niemand.